Als bekannt wurde, dass der diesjährige Hauptpreis des Škoda Velorace in Dresden ein gefülltes Zwei-Liter-Glas Wernesgrüner sein würde, setzte im Picardellics-internen Forum eine Menge Aktivität ein. Unter dem Deckmantel des lokalen Vereins, der lokale Veranstaltungen unterstützt, schrien die Süchtigen „Hier!“, trugen sich in Listen ein und entschieden auf der Heidenauer Bahn im Keirin, wer denn im Falle eines Erfolges den ersten Schluck nehmen dürfe. Und ich, Ludwig, Nicht-Alkoholiker, mittendrin. Ein bisschen mulmig war mir schon.
Um sechs aufstehen weil schon um neun gestartet wird, ist hart, aber offensichtlich auch nur eine Frage der Motivation. Der Treff am inoffiziellen Vereinsheim war dann auch entsprechend früh um 7:45 angesetzt. Statt des üblichen Murrens und Gegrunzes, das man gewöhnlich um diese Uhrzeit erwartet, ein freundliches Händeschütteln, Gelächter und gute Laune. Ich war total überfordert. Immer diese Süchtigen. 9:30 an der Pikardie ist zu zeitig, aber 7:45 am Waldschlösschen ist in Ordnung. Wernesgrüner scheint Flügel zu verleihen.
Nummer dran, ab zum Start, alle fahren gerade aus und artikulieren sich anständig. Erleichtert komme ich im blau-weißen Schlepptau am Theaterplatz an. Startschuss, und schon bekommen die ersten Picardellics Durst. Die Zeit bis ins Ziel soll wohl so kurz wie möglich gehalten werden. Mit einer geschmeidigen 46 auf dem Tacho geht es die Könneritzstraße entlang und vorbei am Großen Garten. Wende, Waldschlößchenbrücke und schon die erste Zieldurchfahrt. Ich mache mir Sorgen um Stefan T. und Jan. Die scheinen das Bier wirklich zu brauchen. Wenn das jetzt nicht klappt mit dem Sieg. Aber die Nächte sind lang in Pappritz, und die Motivation bei Matze damit hoffentlich hoch genug.
Die zweite Runde verläuft wie die erste. Alle noch beisammen. Niemand in eine stille Ecke ausgeschert um sich gen Radeberg oder Köstritz zu verneigen. Um zu beten. Oder so ähnlich. Offensichtlich können alle damit bis nach dem Rennen warten. Beruhigt sehe ich Dirk durchs Feld gleiten. Wirklich alle.
Auch in Runde drei fahren Tilo und Martin M. leffzend den Attacken von Rad-Mitte und den anderen hinterher. Am Fetscherplatz knallt es dann. Leider erwischt es unseren Karsten. Mit dem RTW geht es ins Krankenhaus zum Röntgen. Hoffentlich nichts Schlimmes. Ja, und dann kommt es dick. Ab dem Standesamt eine blau-weiße Liebeserklärung an Wernesgrüner. Die Süchtigen treten aus der Anonymität und zeigen ihr Gesicht. Ich gerate irgendwie in den Sprintzug. Als Dirk raus geht und Neumi in die Pedale tritt, rufe ich dem Weißhaarigen zu, dass zwei Liter doch genug für alle sind und er auch etwas abbekommt, wenn er ein Stück langsamer fährt. Christian hört wieder nur irgendetwas von zwei Litern, und schreit Neumi über meinen Kopf hinweg an, er solle schneller fahren. Toll, ich bin eingeklemmt zwischen zwei Alkoholikern und die brüllen sich gegenseitig an. Nur fürs Protokoll: Wir haben es noch nicht einmal um elf. Ich trete. Und trete. Und trete. Irgendwann kann ich aufhören mit Treten und die blau-weiße Armada zieht mit jenseits der 50 an mir vorbei. Auch Stefan K. und Sven. Wieder zwei, von denen ich es nicht erwartet hätte. Ich frage mich, was die eigentlich wirklich letzte Woche in den Alpen gemacht haben. Niemand hat das je überprüft. Da holt mich Christian von hinten ein. Er scheint auch erledigt zu sein. Hoffentlich fragt er mich nicht, ob er was aus meiner Flasche haben könne. Der Inhalt würde ihm nicht gefallen. Aber dieser Krug geht an mir vorüber. Irgendwann kommen auch wir ins Ziel. Keine zerschlagenen Biertische, keine verschreckten Zuschauer, der Zielbogen steht noch. Matze hat doch nicht etwa gewonnen? Mir fällt ein Stein vom Herzen. Wie hätte ich das nur Oma beibringen sollen.
Sieg! Tolle Mannschaftsleistung! Ich möchte mir nicht ausmalen, wie es anders hätte laufen können. Ein perfekter Tag. Nicht nur, dass die Siegerehrung auf dem Platz vor der Radeberger-Brauerei stattfindet, nein, auch Schaals gewinnen ein 2L-Unterhaltungspaket. Und im VIP-Zelt gibt es außerdem noch einen Gratis-Ausschank für uns. So viele leuchtende Augen auf einem Haufen. Ich könnte vor Rührung weinen. Und mal etwas trinken. Ich gehe zur Theke und bestelle eine Apfelschorle. Plötzlich wird es ruhig. Der Barkeeper schaut verlegen zu seinem Kollegen. TomTom guckt betreten auf den Boden und ich sehe noch Martin L., wie er sich am Ohr kratzt. Ich bekomme unter der Theke etwas zugeschoben. Irgendwann kommen die Gespräche wieder in Gang. Das Glück kehrt zurück. Und heute Abend wohl bei dem einen oder anderen auch der gute, alte Rollmops.
Bis Mittwoch. Am Waldschlösschen. Und bitte null fünf Maximum.