Es ist Samstag 11:45Uhr, die Temperatur ca. 10°C auf über 2000m ü. NN. Sandra, Matze und ich befinden uns im Anstieg zum 6. höchsten Pass der Schweiz und der Blick auf den gut 4000m hohen Piz Bernina samt Gletscher ist atemberaubend, das Geräusch an Matze's Vorderrad dagegen ohrenbetäubend. Hier oben, beim Warm-Up zum 9. Engadinder Radmarathon, ohne Werkzeug oder Klebeband, muss ein Stück Unterholz vom Straßenrand helfen... Es half, auf der anschließenden Abfahrt zurück zum morgigen Start-Zielort Zernez, dem Tor zum Schweizer Nationalpark, nur das sanfte summen der Laufräder.
Angestachelt von den Erlebnissen der vergangenen Jahre hatte jeder von uns ganz unterschiedliche Ambitionen für den kommenden Sonntag. Sandra hatte mit den Abfahrten vom Forcola di Livigno und Bernina noch eine Rechnung offen um ihre Gesamtzeit folglich zu verbessern. Matze peilte nach 6:33h eine Zeit von unter 6:30h, natürlich auf der langen Strecke über 211km und reichlich 4000Hm an. Ich dagegen, wollte das verlockende Ziel der Kurzstrecke bei der ersten Durchfahrt in Zernez rechts liegen lassen und mich wieder links dem Flüela sowie Albula stellen.
Zur idealen Vorbereitung und Zielerreichung war die Unterkunft clever gesucht, die Anfahrt aus dem Hotelzimmer mit unter 30sek zum 1. bzw. 2. Startblock so kurz wie nie zuvor. Ein ausgiebiges Warmfahren sieht zwar anders aus, in anbetracht des frühmorgendlichen Regens bei einstelligen Temperaturen und der kommenden Hindernisse aber liegt die Würze bekanntlich in der Kürze... Der erste Anstieg zum Tunnel nach Livigno sollte genug Aufwärmmöglichkeiten bieten!
Pünktlich 7Uhr fällt der Startschuss für die über 1500 Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Matze reiht sich unweit der Spitze im Pulk der ganz schnellen Fahrer ein, ich versuche eine zweite große Gruppe zu halten. Sandra behauptet ihren Platz im direkt darauf folgenden Feld.
Die Galerie entlag des Lago di Livigno sollte den ersten Lichtblick des Tages liefern, die Spitzengruppe mit Matze war noch in Sichtweite. Allerdings wärte der Erfolg nur kurz und die Quittung der Erkältung unmittelbar vorm Engadin kam prompt: zum Forcola di Livigno lief bei mir nix mehr außer die Nase, atemberaubend war in erste Linie nicht mehr das Bergpanorama... Die Gedanken an den Reiz der Kürze des Ganzen gewannen die Oberhand vor praktizierten Stehversuchen am Flüela und sollten bis nach Zernez nicht mehr verschwinden. Mein Ziel war damit verpasst.
Sandra machte es unterdessen besser. Der Test auf der Abfahrt am Vortag wirkte bei ihr so gut nach, dass am Ende eine Verbesserung der Vorjahreszeit von über 9min zu Buche steht. Das Resultat: ein hervorragender 8. Gesamtrang bzw. Platz 5 in ihrer AK-Wertung.
Matze krallte sich unterdessen fest das Hinterrad der Schnellsten hinauf zum Flüela. Als einer der wenigen Fahrer ohne (verbotenes) Begleitfahrzeug war er jedoch gezwungen nach der Verpflegung an den Laben mit viel Kraftaufwand den Kontakt zu den anderen Fahrern wieder her zu stellen. Kraft die am Ende fehlen sollte. Das Ziel erreich Matze "erst" nach 6:36h auf einem starken 15. Gesamtrang bzw. Platz 11 in der AK-Wertung erreichen. Trotz oder gerade wegen der anwesenden Konkurenz eine beachtliche Leistung!
Abgerundet wurde der Sonntag am späten Abend vom Veranstalter mit einem kurzerhand zur Public Viewing Arena umgestallteten Festzelt und dem bekannt freudigen Ergebniss der deutschen Ballsportler in Brasilien.
An dieser Stelle ein dickes Lob an die Organisation sowie alle Helfer auf und abseits der Strecke. Für's Startgeld bekommt man vom ersten bis zum letzten Augenblick einen hervorragenenden Service geboten. Für uns steht daher fest, trotz Erreichung oder Verfehlung persönlicher Ziele: Wir kommen wieder in 2015 zum 10. Egadinder Radmarathon!