Es ist Freitag und es regnet, 15°C - nasskalt. Was machen wir? Feiern - später am abend. Uni - hm, geht nur bis Nachmittag. Genau - wir fahren ein Rennen im Berliner Nachbarort Altlandsberg, welches parallel zur 3. Etappe der U23-Rundfahrt „Tour de Berlin" am frühen Abend stattfinden soll!
Insider werden hier bereits erahnen, dass es mehr wird als nur ein Rennen auf schönen Straßen nahe der Landeshauptstadt. Altlandsberg steht viel mehr für Kopfsteinpflaster, dass Jantel und ich schon letzten September kennen und lieben gelernt haben.
Aber zurück zum Start in Dresden, wo mich Jan direkt aus der letzten Vorlesung abholte. Die Abfahrt gestaltete sich aufgrund des langsam einsetztenden Feierabendverkehrs schwieriger als gehofft, und auch das Navi wollte schon ins Wochenende starten und so quälte uns die Frage, ob wir denn rechtzeitig zum Meldeschluss ankommen werden. Ein Anruf beim Veranstalter klärte alles und er sicherte uns auch die etwas spätere Anmeldung zu. Kurz vor 16 Uhr meldete sich dann aber doch noch die nette Stimme des Computers um uns lautstark mitzuteilen, dass wir das Ziel in wenigen Minuten erreichen werden. Moderner Technik die begeistert. Jetzt noch fix die Nummern ans Trikot geheftet, eine zweite Trinkflasche eingesteckt und auf gings zur Einfahrrunde bei Sonnenschein und 20°C - schön. Schnell merkten wir, dass sich am Pflaster nix geändert hat. Es fiel wie im vergangnen Jahr schwer die S-Kurve um die Statdkirche sauber zu fahren und nach der Ausfahrt aus den Stadttoren bekamen wir einen Eindruck, wie windig es doch ist. Ok, wo's Gegenwind gibt, da wird es auf einem knapp 7,2km langen Rundkurs auch irgendwann mal Rückenwind geben. Dazu später mehr...
Bei der Startaufstellung der Jedermänner kurz nach den U23-Fahren stellte sich dann heraus, dass nicht nur wir die Idee hatten etwas schneller Rad zu fahren. Die Teams Ferox Bikekult und Westpoint gesellten sich in etwa der 3 bis 4-fachen Anzahl unserer Dresdner Wenigkeit zu uns. Einzig in der Farbwahrnehmung änderte sich nicht viel, sind doch die Trikofarben der Anderen ebenfalls geprägt von Blau-Weiß. Robert Bartko gab an der Startlinie noch letzte Tipps und das etwa 80 Mann starke Feld setzte sich unter dem Jubel der Zuschauer in Bewegung. Es dauerte keine 100m, da erkannte ich, wie clever es doch war die zweite Flasche zumindest für 15 Rennsekunden an Bord gehabt zu haben. Ähnlich erging es aber auch allen anderen, sodass die Trauer nur von kurzer Dauer war, denn wie beim Warmfahren, mussten wir nun ersteinmal polternd um die Kirche zirkeln. Nach der Ausfahrt aus den Toren der Stadt waren nur noch etwa 35 Fahrer ernsthaft daran interessiert, den späteren Sieg unter sich auszumachen. Gleich nachdem geklärt war, wer noch alles dabei war, gingen die Attacken los. Immer wieder gelang es einigen Fahren sich etwas abzusetzten. Jedoch war der Gegenwind so unbequem, dass eine Aussicht auf Windschatten sie ähnlich schnell wieder ins Feld zurückkullern lies. Oder es lag daran, dass die mitstreitenden Vereine ihre Fahrer selber verfolgten um deren Ausreißversuche im anschließenden Gespräch persönlich würdigen zu können? Die vorher bereits erwähnte blau-weiße Gleichfarbigkeit der Vereinskleidung könnte allerdings auch ein Grund für die konsequente Nachführarbeit gewesen sein. Wer ist jetzt vorn? Ein blau-weißer...! So ging es nun einige Runden lang, bis sich wirklich eine Spitzengruppe formieren konnte, deren Vorsprung allerdings nie zu groß wurde, wie uns auch der Zielsprecher mit seinen Durchsagen immer wieder versicherte.
Achja, habe überhaupt schon das Pflaster erwähnt? Bei jeder Zielpassage musste ein etwa 1km langer Pflasterabschnitt bewälltigt werden, der sich in 3 Kategorien unterteilen lässt. Nicht so schlimm werden sicher einige denken, sowas haben wir am Elberadweg auch...! Die ersten 400m auf Kategorie I lassen sich noch recht gut fahren, selbst von Leuten, die Asphalt bevorzugen. Kategorie II, kurz vor der Start-Ziel-Linie bis kurz danach, ist schon gröber und scharfkantiger mit etwas mehr Freiraum zwischen den einzelnen Steinen. Das Fahren wird hier unangenehm und die Hände umklammern entsprechend fest den Lenker. Geht aber auch noch. Wenn da nicht noch die „letzte" Klasse von Wackersteinen käme, in der diese wie Ostereier kreuz und quer im Nest liegen. Auf diesen 300m ist dann auch die schon beschriebene S-Kurve zu fahren, was mir von Runde zu Runde weniger gut gelang. Die Beine werden mit einem Schlag schwerfällig, definiertes Schalten ist kaum mehr möglich und Aus-dem-Sattel-gehen um in Schwung zu kommen ist ebenso zwecklos, da das Hinterrad jegliche Bodenhaftung verliert. Wer's mag!
Danach kam allerdings wieder der Wind, der nicht weniger Schmerzen bereiten kann wenn mal wieder die Post abgeht und man selber am Ende der Gruppe hängt. Jantel machte es besser und fuhr vorn, allerdings so weit, dass die zahlenmäßig stärker vertretenen Mannschaften ihm jederzeit gern den Platz überließen und so führte er uns vom Rückenwind getrieben mit weit über 50km/h locker wieder Richtung Kopfsteinpflaster um dort die Attacken über sich ergehen lassen zu müssen. Ich versuchte auch mal ganz vorn da rüber zu kommen, wurde aber schnell wieder durchgereicht, weil ich einfach die Kurve nicht kriegen wollte. Wie machen die anderen das nur? Diese Frage beschäftigte mich anscheinend so sehr, dass ich mitte der 8. und letzten Runde die entscheidende Attacke verpasste, die das nun noch 23 Fahrer zählende Überbleisel teilte. 8 Fahrer fuhren vorn raus, Jan blieb ihnen auf den Fersen und ich sicherte die Verfolger nach hinten ab. Jans Einsatz zahlte sich aus, als er auf der Zielgeraden noch zwei Fahrer der Spitze überholen konnte und das Rennen auf Platz 7 beendete. Zusammen mit seiner Platzierung von Buckow kommt er damit auf ordentlich Punkte im Corratec-MOL-Cup, in dem noch 2 von insgesamt 5 Rennen ausstehen.
Im nächsten Jahr könnte für uns Picardellics aber auch die Mannschaftswertung von Interesse sein und entsprechenden Ansporn herbeirufen. Die richtige Trikot-Farbe dazu haben wir ja auf jeden Fall...
Übrigens, gefeiert haben wir abends auch noch. Holgi lud zur nachträglichen Geburtstagsfeier ein und beglückte uns mit einer reichhaltig gedeckten Tafel, ideal für zwei hungrige Radler...
der Christian