+++ Siegserie der Picardellics in Hohenstein/Ernstthal hält an +++ 2006, 2007, 2008 - ein Mythos beginnt zu leben +++ Jantel, Dirkus und nun Rudi +++ Eric sichert den Sprint aus dem Hauptfeld +++ Mister Zylinder hochzufrieden mit der edlen Carbon-Titankonstruktion seines Knies +++ er erwägt prophylaktischen Austausch beider Hüftgelenke +++ Guru Christian verlässt den Weg der Meditation +++ seine eiserne Hüfte schrottet einen Kleinwagen +++
Zielstrebig und ohne den Blick zu heben stieg die schwarze Katze durch Erics Hinterrad und kreuzte die Straße von links nach rechts vor den wartenden vier Picardellics. Die Gespräche erstarben. Jeder versuchte das eindeutige Omen durch Ignoranz zu negieren. Nur einer sprach. Er wurde am Berg bestraft.
Wir rückten vor zur Startlinie. Neff und die Kopfjäger hatten sich bereits die erste Reihe gesichert und so suchten wir Platz zwischen den zahlreichen Venusbergern. Der Regen hatte bereits vor einer Stunde nachgelassen und die Straße begann im starken Wind zu trocknen. Trotz der Einfahrrunde mit Christian fror ich wie ein junger Hund und wartete sehnsüchtig auf ein wärmendes Pulshoch.
Der Startschuss. Hässelbarth übernimmt ohne zu zögern die Führung und streckt das Feld in die Länge. Am Badberg wird der langgestreckte Pulk zur Einerreihe. Frank zieht nach wie vor am Lenker. Langsam schiebe ich mich nach vorn und kann den windgeschützten Platz hinter seinem Rücken ergattern. Frank fährt. Die Kuppe kommt in Sicht. In Erwartung einer Tempoverschärfung, schließen sich meine Hände fester um die Ergopower. Frank fährt gleichmäßig weiter.
Es sind lediglich noch 300 Meter bis zur Kuppe. Niemand fährt an uns vorbei. Die Mischung aus Anspannung und Kälteempfinden verleitet mich an dem führenden Neff vorbeizugehen und das Tempo gefühlvoll zu erhöhen. Ausgehend von den Oberschenkeln steigt wohltuende Wärme in mir auf. Ich versuche den Druck zu halten und beobachte das Vorderrad hinter mir. Mein Verfolger bleibt dran. Zufrieden fixiere ich wieder die Kuppe und genieße bald darauf die Fernsicht. Mit etwas mehr Schwung fahren wir in die Senke und ich gebe die Führung frei.
Lediglich Schnie und ein Venusberger sind mir gefolgt. Wir haben 50 Meter Vorsprung auf das ruhig rollende Feld. Damit entfällt der ursprüngliche Plan - schikanieren des Feldes - zugunsten des neuen Planes - Schnie aus den Schuhen fahren - . In der Erwartung jeden Moment von dem heranrauschenden Feld aufgerollt zu werden beginnen wir zu kreiseln. "Wir" beinhaltet zu dem Zeitpunkt erstmal nur Schnie und mich. Der Venusberger ist offensichtlich zu überrascht von seiner Position und huscht sehr, sehr schnell durch die anstrengende Führung.
Eine Runde später, der Badberg ist zum zweiten Male absolviert, aus Schnie erklingen seltsame Geräusche. Die am Streckenrand stehenden Lungenfachärzte blicken interessiert zu ihm herüber. Wir wechseln weiter durch. Zu zweit wird es lang, ich versuche den Venusberger verbal von einem angemessenen Führungsanteil zu überzeugen. Er zeigt sich beratungsresistent. Erst in der dritten Runde, wir sehen bereits das Weiß in den Augen unserer zähnefletschenden Verfolger, beteiligt er sich etwas mehr an der Führung. Eric und Jantel nehmen immer wieder das Tempo in der Spitze des Feldes heraus. Ihr destruktiver Einsatz zeigt Erfolg. Die Geschwindigkeit der Verfolger geht wieder zurück.
Die Rennstrecke ist nicht voll gesperrt und so finden wir uns im sanft fließenden Verkehr eines erwachenden Sonntags. Nicht alle Verkehrsteilnehmer sind wirklich wach. Manch entgegenkommender Fahrzeugführer weicht erst im letzten Moment an den Straßenrand aus. Es schlummert auch die Fahrerin eines Ford. Aufgeschreckt durch die vorbeirauschenden Radfahrer wechselt sie unvorhersehbar die Fahrtrichtung. Mr. Z. streckte das nagelneue Titangelenk seines rechten Knies und katapultierte sich vorbei. Guru Christian versucht seine Geschwindigkeit ohne mechanische Hilfsmittel zu steigern und scheitert kläglich. Seine Hüfte schlägt wuchtig ins Heck des Wagens. Der Ford schaukelt sich auf, dreht sich und kommt schleudernd zum stehen. Christian fliegt hoch und weit. Er bündelt seinen Willen und setzt sich über die Schwerkraft hinweg. Sanft gleitet er auf den Asphalt. Trikot und Hose bleiben unbeschädigt.
Schnie röchelt inzwischen komisch. Der Badberg lächelt kalt. Im Gegenwind versuchen wir den Abstand zum Feld konstant zu halten.
Auf der Abfahrt bremsen die beiden Jungspunde vor jedem Gullideckel, dafür nehmen sie mir in der Pflasterkurve vorm Markt jeweils eine Radlänge ab. Kurven, die Würze des Radsportes, sind wie Frauen, die Würze des Lebens: überraschend, jedesmal anders und doch faszinierend. Fünf Runden lang bin ich froh und glücklich der drohenden Umklammerung der Pflasterkurve entgehen zu können.
Die letzte Runde bricht an. Wir fahren gleichmäßig den Badberg. Schnies rasselnder Atem schallt in den Straßenschluchten Hohenstein-Ernstthals. Oben erwartet uns wieder der starke Gegenwind. Eine vorsichtige Tempoverschärfung stellt den Zusammenhalt der dreiköpfigen Spitzengruppe auf eine harte BEwährungsprobe. Die letzte Abfahrt nähert sich. Der Wind hat die Straße inzwischen vollständig abgetrocknet. Mit geschlossenen Augen vertraue ich mich den ausladenden Kurven an. Durch sanft schwingende Kurven rolle entferne ich mich langsam von der kleinen Gruppe. Der Vorsprung reicht um entspannt in die vorletzte, zickige Pflasterkurve zu gehen. Mein Hinterrad bockt und springt. Erst die eiserne männliche Hand zwingt es zurück in die Bahn. Unter dem tosenden Jubel der Hohenstein-Ernstthaler Bevölkerung überquere ich die Ziellinie, um danach in einem Mehr von Blumen, Plüschtieren und Unterwäsche zu ertrinken. Eric rettet mich aus der erstickenden Umklammerung und sichert sich ganz nebenbei mit dem furiosen Sprint den 4. Platz.
Wer über Omen redet, hat viel Zeit darüber nachzudenken. Jantel musste das Feld am vierten Anstieg ziehen lassen, kämpfte sich eine Runde lang wieder heran, um danach festzustellen, dass der Badberg auch in der fünften Runde noch verdammt steil ist. Er fuhr die letzte Runde locker aus und überdachte seine vorschnellen Kassandrarufe. Glücklich schloß ihn Franzi im Ziel in ihre Arme. Über die nun folgenden, atemberaubenden Geschehnisse zwischen den beiden Turteltäubchen Schweigen bewahrend,
Thomas