+++ Drei Picardellics unter den ersten 10 +++ eine Scheibe beflügelt +++ Damenwertung im festen Griff der Picardellas +++ Dirkus erkennt den Unterschied zwischen Start und Startnummernausgabe spät +++ vollständiger Bericht des Kampfes und des Leidens Dienstag an dieser Stelle +++ erste Ergebnisslisten vom Zeitfahren +++
Gemeinhin kennt der zahlungswillige und austrainierte Jedermannsportler bereits bei der Anmeldung die Herausforderung des jeweiligen Rennens. Der Erdgas Race Day versprach bislang mit seinen deutlich wahrnehmbaren Steigungen dauerhaft im Muskelgedaechtnis zu verbleiben.
Dieses Jahr lockte der Veranstalter zusaetzlich mit einem Einzelzeitfahren am Vortag in die Landeshauptstadt. Und hier lag bereits eine erste Huerde fuer die Teilnehmer: die Anmeldung fand nicht etwa bequem, zeit- und nervenschonend im Start und Zielbereich des Einzelzeitfahrens statt, sondern zwei Stunden vor dem Start mitten im Stadtzentrum Dresdens. Und so schlugen fuer die teilweise aus weiter Ferne anreisenden Teilnehmer schon mal locker 60 Mehrkilometer zu buche.. Wie der weitere Verlauf des Wochenendes zeigen wird, war dies nicht die letzte Haertepruefung eines unorthodox agierenden Veranstalters..
Dirkus, sanft im 7. Himmel einer leidenschaftlichen Beziehung gebettet, drohte an dieser unerwartet hohen Huerde des realen Lebens zu scheitern. Erst die Vielzahl verliebter-vertraeumter Teilnehmer, die das Organisationsbuero in Grossenhain auf der Suche nach ihren Startnummern blockierten, bewegte den Veranstalter zum Einlenken. Dem Druck der Masse folgend, fand sich doch noch eine flexible und pragmatische Loesung des Problems.
Dirkus startete spaet und ueberreizt. Der stetige Wind bis zur Wende wirkte zunehmend beruhigend. Dirkus fand zu seiner inneren Mitte und beendete das Rennen auf Platz 25 *, eine Sekunde hinter Christian. Eine Sekunde im Zeitfahren, Welten vergehen und entstehen in dieser Zeit. Man kann die Empfindungen und Gefuehle unseres Dirkus nicht annaehernd in Worte fassen. Und selbst wenn dies schier aussichtslose Unterfangen gelingen wollte, wie wuerde man dann meinen 60 Sekunden Abstand auf Jantel, meinen dicksten Freund, beschreiben wollen? Worte sind hier zuwenig. Schweigen, endloses Schweigen kommt der Leere, die der erschoepfte, ausgelaugte Unterlegene in sich aufsteigen fuehlt am naechsten.
Sieben Picardellics unter den ersten 25 Teilnehmern des Zeitfahrens.
Jubel brandete auf und fuellt die aufsteigende Leere aus. Eine ausgeglichene Mannschaftsleistung. Trotzdem wir uns hier in einer nahezu unbekannten Randdisziplin des Radsportes bewegen. Wer sollte wohl ein Zeitfahren zum Mass der Dinge erheben wollen? Ernsthaft kann das nur jemand auf dem Treppchen wollen, und das waeren dann drei einsame Schwitzer gegen 133 ernuechterte Teilnehmer, die die speziellen Anschaffungen der letzten Jahre nun im kritischen Blick der Effizienz pruefen muessen.
Jantel hatte es schon mit dem Start am schwersten getroffen. Er musste 30 Sekunden vor Luma, dem saechsischen Zeitfahrmeister, starten. Um trotzdem ein wuerdiger Gegner zu sein, hatte Jantel sein historisch anmutendes Rad mit einer Scheibe und sein lockiges Haupt mit einem sehr speziell geformten Helm bedeckt.
Es war knapp.
Es war ein Kampf der Giganten.
Luma, ein Zeitfahrer der Extraklasse, verbreitete auf der Rampe zwar noch weithin wirkenden und ansteckenden Stress, zog dann jedoch ruhig und gelassen seine Bahnen. Scheinbar Zeit und Raum beherrschend, spulte er Kilometer um Kilometer ab. Der Wind war ihm Untertan. Jantel war sein Ziel.
An der Wende kamen mir beide entgegen. Jantel zehrte seinen 30sekuendigen Vorsprung allmaehlich auf. Lumas heisser Atem umspuelte bereits Jantels Waden. Ich hatte urploetzlich das Gefuehl zu stehen. Zoegerlich wendete ich, sah beide am fernen Horizont verschwinden und machte mich auf die einsame Rueckfahrt. Die Sattelspitze wurde immer unbequemer. Der Rueckweg immer laenger. In Kalkreuth kam mir Matze entgegen. Wiederum hatte ich das laehmende Gefuehl zu stehen. Matze hielt mit seiner furiosen Fahrt lange die Bestzeit.
Im Ziel gingen uns allmaehlich die Gespraechsthemen aus, der Schweiss war erkaltet und die Hoffnung wuchs gleich zwei Picardellics auf dem Treppchen zu sehen. Da geschah es. Schaali startete und kurz danach die naechste Ernuechterung, Sinske am Start. Und nur wenig spaeter waren beide auch schon wieder zurueck. Sinske verbesserte Matzes Zeit nochmal um eine Minute. Daniel schob sich mit einem Kraftakt und hohem Materialaufwand zwischen die beiden bisherigen Herrscher ueber die Zeit.
In der Frauenwertung duepierte Sandra ihre Schwaegerin um laecherliche 5 Sekunden. Franzi hatte lange gekaempft, musste jedoch die Konsequenzen aus der falschen Muskelbelastung letzte Woche (die Menschenrechtskommission prueft noch immer, ob die Teilnahme an "paddeln" gegen das Grundrecht auf koerperliche Selbstbestimmung verstoesst) ziehen. Eine der wenigen Starterinnen ohne jegliches Zeitfahrequipment war Anke. Sie ignorierte all die albernen und zum Aberglauben neigenden Prophezeiungen der Materialfetischisten und fuhr mit einem simplen Rennrad in einer vernuenftigen Position eine vernuenftige Zeit. Vergleicht man Ankes und Lumas Platzierung voellig unparteiisch, wird schnell klar, wer ab sofort das Familienzeitrad nutzen sollte, um seine Leistung weiter verbessern zu koennen.
Und das war sie auch schon, die grosse Langeweile eines Zeitfahrens, keine Gespraeche, keine Abenteuer, keine Flirts. Nichts. Es bleiben nur Schmerzen, Unzufriedenheit und dann die aufsteigende Leere, die sich ausbreitende Lethargie. Zu meiner Rettung war da noch Neumi, diesmal im Doppelpack mit seinem Sohn. Ein eingespieltes Team welches mich aufs Letzte forderte. Das urspruenglich geplante lockere Ausrollen wurde durch Neumi & Neumi zum harten Ausscheidungsrennen. An den Steigungen ging der juengere Neumi ab, als gaelten die Schwerkraftgesetze erst Ue30. Unter Aufbietung aller verfuegbaren Kraefte gelang es mir ca. 87-mal ihn bis zur Kuppe zu stellen. Dort setzte dann nahtlos der etwas kompaktere, etwas aeltere Neumi an und rollte auf und davon. Ich fand mich hilflos zwischen den unerbittlichen Muehlsteinen "Kraft" und "Jugend". Der brennende Schmerz der Herausforderung (deutlich spuerbar in beiden Oberschenkeln) vertrieb die aufgestiegenen truebsinnigen Gedanken und formte ein neues, zartes und Optimismus verbreitendes Laecheln auf den Lippen von
Thomas
*man beachte dieses komplexe Spiel der Zahlen: Dirkus schwebt im 7. Himmel und wird 7. Picardellics. Ganz offensichtlich ist hier eine steuernde, allmaechtige Kraft im Spiel, die ihm geschickt signalisiert den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.