+++ Picco erklimmt spielerisch Podest in der Masterswertung +++ blau-weiß lockert übermächtig agierendes DKV-grün-weiß auf +++ Michi gelassen auf Platz 7 bei den Jedermännern +++ Neumi zahlt im Hauptfeld die Zeche für 3 erfolgreiche Wochenenden +++ das unerbittliche Pendel des Schicksal haut Rudi gnadenlos vom Rad +++ Time knarrzt mit Jan tapfer über den Berg +++ umfassender Bericht spektakulärer Ereignisse folgt durch Rechnerabsturz erst im Laufe des Montags +++ Sicherungskopie der Festplatte bereits beim BND angefordert +++ Post streikt leider noch immer +++
Lange im voraus geplant, schrumpfte das anfänglich große Interesse an der Bezwingung des Liebfrauenberges in Greiz je näher der Wettkampf rückte.
Manch bislang bewährter Fahrer verwies nach einem Blick aufs Höhenprofil erleichtert auf seinen bestehenden Ehevertrag, der zur Betreuung der Ehefrau beim Oberelbemarathon verpflichtet. Der empfindsame Außenwirkungsbeauftragte der Picardellics zog sich mit einem kleinen Kreis handverlesener, edelster und charakterstarker Picardellics tief in die dunklen Wälder des Erzgebirges zurück und überließ Michi und Jan die alleinige Auseinandersetzung mit den sensiblen Jedermännern. Eine Stunde und eine Runde mußten die beiden tapferen Recken im Feld der 60 Starter überstehen.
Und sie machten Ihre Sache gut. Jan zermürbte das Feld mit dem konstanten Knacken und schrillem Quietschen seines Rades. Vorbeifahrende Güterzüge gingen in dem Lärmpegel unter. Alle Versuche des Feldes, Jan am Berg abzuschütteln, um ruhig weiterkullern zu können, schlugen fehl. Er kämpfte sich auf den Flachstücken, rücksichtslos den eigenen Körper mißbrauchend, immer wieder an das Ende des Feldes heran. Mit einer gewissen Vorausschau übernahm er in der vorletzten Runde sogar die Führung und aus der bisherigen gediegenen Pilzform des Feldes wurde ein pressatmender, langer Lindwurm. Als erster in den Berg und als letzter aus dem Berg kommend, ging Jan mit dem Jedermannfeld in die 6. und letzte Runde. Michi hatte sich derweil 5 Runden lang an der Spitze behauptet und plante die gesparten Kräfte am letzten Berg für eine vernünftige Platzierung zu opfern.
Die heranrasende Spitze der Masterfahrer machte ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung. Das Juryfahrzeug zwang die Jedermänner auf der Abfahrt vor der letzten Steigung an den Rand und ließ die vier führenden Seniorenfahrer passieren. Das langgestreckte Jedermannpeleton schob sich dadurch wieder dicht zusammen, die Kreisläufe erholten sich und das Laktat in den Beinen begann zu gerinnen. Als dann die Beine richtig dick und schwer waren, wurde die Fahrt wieder freigegeben. Mit wuchtigen Tritten ging es aus dem Stand in die letzte Steigung. Das Feld zeriß, Michi hielt sich lange mit seinen faßartig geschwollenen Beinen an der Spitze, mußte sich jedoch dann mit Platz 7, dicht hinter einem 30 Jahre jüngeren Kopfjäger, zufrieden geben. Jan gelang es mit viel Mühe und Geduld, sich im Mittelfeld bis hinter die Ziellinie zu schieben. Die Wettkampfrichter hielten dieses wundersame Ereignis der Saison 2008 verbindlich auf der Ergebnisliste fest. Die Zuschauer und Anwohner genossen die einziehende Ruhe des nun geräuschlos an der Mauer lehnenden Rades.
Während ich noch versonnen den Zieleinlauf der Jedermänner betrachtete, bellte mir Picco aus der 4köpfigen Seniorenspitze heraus, die anstehenden Aufgaben für die nächsten Minuten zu. Eilig hetzte ich eine volle Trinkflasche besorgend los. Um schnell wieder an den Berg zu kommen, schnappte ich mir Jans Radl. Dies quietsche bereits beim Anschieben, mt Druck auf dem Pedal setzte wirklicher Krach ein. Hektisch schlugen die Anwohner die Fenster zu, die zahlreichen Zuschauer bedeckten entsetzt die Ohren.
Rechtzeitig zu Piccos 7. Bergbesteigung stand ich an der richtigen Stelle. Genau dort warteten ebenfalls die Betreuer des zweifach in der Spitze vertretenen Teams DKV. Sinske und Kunath äußerten an ihrer Verpflegungsstelle vielfältige Sonderwünsche und wurden deshalb von ihren hektischer werdenden Betreuen mit einem "warte mal" hingehalten. Trotz des 90-sekündigen Vorsprungs wollten die beiden nicht warten und gaben sich letztendlich mit den bereitgehaltenen Flaschen zufrieden. Picco schwebte einer Feder gleich mit ihnen den Berg hinauf. Schweigend. Dieses Schweigen kenne ich aus einer Vielzahl von Dienstagsrunden. Solange Picco schweigt, ist es ihm zu kalt, zu flach, zu langsam und wir normalgewichtigen Fahrer können noch mithalten. Ich hätte also dabei sein können. Neben einem schweigenden Picco zu fahren, wäre genau mein Tempo gewesen. Ich hätte sicher völlig mühelos mithalten können, hätte ... hätte ... hätte ....
Das Schicksal, eine Woche vorher trug es mich überraschend auf Seidenkissen ins Ziel. Diesmal warf es mich unvermittelt auf den harten Thüringer Asphalt.
Meine Kette riß bereits 5 Runden früher, am Berg der zweiten Runde. Der kraftvolle, wohldurchdachte und lang trainierte Tritt ging ins Leere und das rechte Knie schlug ungebremst an den Lenker, die Kniescheibe verhakte sich dort kurz, wurde angehoben und schnippte mit sattem Schmatz zurück in ihre Position. Die ungebändigte Kette schnellte derweil hinter mir hoch, setzte die aufgenommenen 900 Watt frei und peitschte die rechte Wade.
Lose pendelten Hautfetzen im Wind.
Die linke Schuhplatte zersplitterte beim ungeplanten Hechtsprung vom Rad. Franzi eilte heran und ihr gelang es mit zarten Händen, Sicherheitsnadeln, herumliegendem Kupferdraht und einem gebrauchten Schlauch, die Wunden zu kaschieren. Dankbar legte ich meine Arme um sie und zog Franzi dicht an mich. Erst die offenen Münder der umherstehenden Minderjährigen und die entsetzten Blicke der Erziehungsberechtigten ließen uns einhalten. Verlegen suchten wir die weit verstreuten Kleidungsstücke zusammen und widmeten uns gesenkten Hauptes den radsportlichen Aspekten des sonnigen Sonntags.
Wenig später schoß das Jedermannfeld, nun in der dritten Runde, den Berg hinauf. Jan quälte sich am Ende des Feldes. Auge und Ohr sträubten sich gegen die ästhetische Grenzbelastung. Unter den argwöhnischen Blicken der umstehenden Zuschauer tröstete ich Franzi (verbal und auf gesellschaftsfähige Distanz bedacht) und verwies auf Michis akkurate Haltung an der Spitze des Feldes.
Die zahlreichen Neffs nutzen die 3. Runde und meinen technischen Defekt, um das Feld endgültig zu zerteilen. DKV und Picco gingen auf und davon. Das Feld zerbröselte wie ein Keks in Kinderhand. Ein weiterer thüringer Fahrer schloß auf dem geraden Stück zur Spitzengruppe auf. Eine 6-köpfige Verfolgergruppe jagte deutlich vor der größten Gruppe (man könnte sie tolerant mit "Hauptfeld" beschreiben) die Spitze. Neumi mühte sich im Hauptfeld um Tempo. Er fand jedoch nur wenige Mitstreiter. Die Masse der Fahrer ließ es im Windschatten beschaulich angehen. Ein gnädig gestimmter Renngott honorierte Neumis zähen Kampf gegen den Wind, den Berg und gegen die Unlust der Mitfahrer mit einem Wertungspunkt und Platz 15.
Die Spitze kreiselte rundenlang gleichmässig und kraftvoll. DKV war sichtlich daran interessiert das Rennen in der Heimat zu gewinnen. In der 9. Runde attackierte Sinske energisch, Kunath folgte kurz darauf mit wuchtigen Tritten. Nun war Picco der Keks. Zäh und mit viel Spucke hielt er seine Kräfte zusammen und machte sich mit dem Sondershausener Fahrer an die Verfolgung der grün-weißen Neffs auf ihren weiß-grünen looks.
Die Neffs gewannen ungefährdet. Picco ging erstmalig am Berg in der letzten Runde aus dem Sattel und an seine nahezu unendlichen Grenzen. Er löste sich von Arndt. Verdient und mit deutlichem Vorsprung holte er sich den letzten freien Podiumsplatz.
Die Siegerehrung verlief gewohnt dramatisch. Die Platzierten kämpften sich durch die eng stehenden Menschenmassen aufs Podest. Jeder erhielt einen Sixpack Thüringer Bier (tja Jungs, man kann nicht immer gewinnen).
Ein schlecht gezielter Männerschlüpfer traff Picco am Kinn. Schnell trugen wir ihn aus dem unübersichtlich werdenden Getümmel. Michi opferte seine Siegprämie und bei Kaffee und Kuchen kam unser Tagesbester langsam wieder zu sich.
Neumi treibt den Ford mit eisernem Fuß zurück nach Dresden und ermöglicht mir noch eine 3-stündige Trainingsrunde in der Abenddämmerung.
In eine abgelegene Einsiedelei, allein mit Franzi und dem Speicherchip mit den photographischen Abbildungen der Helden, genießt Jan die Ruhe und die Bewegungslosigkeit. Die Bilder werden Ende dieser Woche veröffentlicht,
verspricht
Thomas