11.08.2007, Janov, 12 Stunden durchs Tschechische
Start war früh um acht, und wer bis abends um acht die meisten Kilometer fuhr, hatte gewonnen. So einfach. Zur Auswahl standen eine kurze Runde mit 10,8 km und 210 Hm und eine lange Runde mit 20,3 km und 410 Hm. Martin hatte das letzte Jahr noch gut in Erinnerung, als er Getränke und Kolačky 10 Stunden lang vergeblich suchte, sich vor Ermüdung und Hunger ins Gras legte und so ein Platz auf dem Treppchen verschenkt. Doch dieses Jahr war er schlauer: Er hängte einen Beutel mit Verpflegung an den Gartenzaun im Start- und Zielbereich und stellte auch volle Trinkflaschen bereit. Er wollte hier also öfter vorbeikommen und nicht wieder wertvolle Sekunden in der Wiese verschenken. Auch Anne hatte sich weniger und kürzere Pausen vorgenommen, nachdem sie letztes Jahr nach 12 Stunden den 1. Platz um 45 Sekunden (!) verpasste. Und der Lutz? Der hatte immer noch Knieprobleme, wollte mal schauen, was nun nach monatelanger Physiotherapie wieder geht, dabei die rückwärtige Oberschenkelmuskulatur trainieren und bei Bedarf viele Pausen machen und diese dazu nutzen, seine siegorientierten Vereinskollegen mit Verpflegung zu versorgen.
Also, kurz nach acht ging es los. Schnell merkte Anne, dass die Frauen dieses Jahr eine schwache Konkurrenz waren, sodass sie sich ein neues Ziel steckte: schneller als letztes Jahr zu sein. Und dass sollte nicht einfach werden, da sie der Form vom vergangenen Jahr etwas hinterherfährt wie der Lutz dem Fahrerfeld nach dem Startschuss. Der wurde auch bereits in der 7. Runde von der ca. 15 Mann starken Spitzengruppe überrundet, die in diesem Moment locker-fluffig von Martin zum wiederholten Male in den Anstieg geführt wurde.
Jedoch bei der nächsten Überrundung durch die Spitzengruppe sah es gravierend anderes aus. Es waren nur noch drei Fahrer. Martin kam etwas später und wurde von einem zerschürften Ellenbogen und einer blutigen Hose mit Loch geziert. Auf der Abfahrt, die man nach 12 Runden gut kennt und siegessicher herunter fahren kann, stand der Spitzengruppe plötzlich ein W50-LKW im Wege. Die Ersten schafften es noch, vorbei zu kommen. Martin war einer, der an der Bordsteinkante scheiterte. Doch: lieber so und weiter fahren als direkter LKW-Kontakt. Und so zog Martin tapfer weiter seine Runden. Auf der Zeitliste, die stündlich aktualisiert im Zielbereich ausgehangen wurde, wurde er nun auf Platz zwei in seiner Altersklasse geführt.
Anne zog einsam ihre Runden und war flott unterwegs. Ihre diesjährigen Pausen waren kürzer, auch Dank der trägerlosen Hose. Auch wenn der Lutz seine Anne selten auf der Strecke oder am Verpflegungsstand sah, konnte er doch ihre Siegesfahrt auf der Liste verfolgen. Ihre Rundenzeiten und die Hochrechnung ließen Großes erhoffen: Zweieinhalb Stunden vor Schluss hatte sie bereit 21 Runden gefahren. Und sie brauchte genau 30 min pro Runde. Das hieße, 26 Runden und damit eine Runde mehr als letztes Jahr, somit Gleichstand mit der Rekordhalterin. Doch gerade im Kopf durchgerechnet, rollte eine ausgebrannte Anne in der Zielbereich, blieb stehen und hängte den Kopf über den Lenker. Völlig fertig, keine Lust mehr, ... am liebsten Aufhören und sich ins Gras setzen. Gewonnen hätte sie auch so, die Zweite hatte jetzt schon fünf Runden Rückstand. Jetzt kam auch Martin in den Zielbereich. Der wollte in aller Ruhe noch drei Runden fahren, um seinen „Verfolger“ auf Distanz zu halten. Anne und Martin sahen sich jetzt das erste Mal nach dem Start wieder. Lutz hatte sich auch noch drei Runden vorgenommen, weil es schön ist, in die Dämmerung reinzufahren. So machten sich die Männer wieder auf die Strecke und die Anne blieb müde am Zaun sitzen. Doch bereits bei der nächsten Zieldurchfahrt war von der Anne nichts mehr zu sehen. Erst wieder 10 min vor acht, nachdem sie auch noch drei Runden gefahren und letztlich zwei Minuten schneller war als letztes Jahr. Ihr Ziel hatte sie damit erreicht! Und es wäre auch nicht unsere Anne, wenn sie nicht noch einmal aufs Rad gestiegen wäre. Ihre letzten drei Runden waren sehr schön und schlossen den Tag zufrieden für sie ab.
Zur Siegerehrung gab es wieder tolle Überraschungen. Zu erst bekam der Lutz eine Flasche Wein, weil er bei der 11. Austragung des Rennens irgendeinen 11. Platz belegt hatte. Dann, nachdem der zweite Platz auf dem Treppchen in der Altersklasse der älteren Herren vergeben war und wir uns schon traurig anschauten, musste Martin die oberste Podiumsstufe erklimmen. Man hatte den zuvor Erstplatzierten 12 Stunden lang in der falschen Kategorie geführt. Und Anne durfte dann auch noch ganz hinauf. Kilometerbilanz: Martin: 281 km, Anne: 270 km, Lutz: 227 km. Zufrieden!
Zum Schluss bleibt noch, die schöne Atmosphäre und die lieben Organisatoren der Veranstaltung zu erwähnen. Wir wurden wieder ganz herzlich aufgenommen und hatte sehr viel Spaß mit unseren Nachbarn, wenn auch oder vielleicht gerade weil die Kommunikation in gebrochenen Deutsch und Tschechisch ablief. Am Ende war es uns ein wenig peinlich, an einem Tisch voller Pokale und Preise zu sitzen, wo wir doch einfach nur Radfahren und Spaß haben wollten.
Martin, Anne & Lutz