1. Ponickauer Dreiecksrennen

ImageNach nächtelangen, aufreibenden Recherchen, zähen, bohrenden Interviews, spontanen, langen Gesprächen und der gründlichen Auswertung der vorliegenden Gedächtnisprotokolle ist nun endlich im folgenden ein weiterer Bericht zum Rennen in Ponickau, dem ersten Rennen der Picardellics verfügbar.

Bevor wir nun aber endgültig in den Weiten einer langen Geschichte über starke Helden, schöne Frauen, schnelle Entscheidungen und falsche Urteile versinken, am Anfang eben dieser Sage, mit denen wir später einmal unsere Altenpfleger faszinieren werden, die Kurzfassung der Erzählung für all die getriebenen und gehetzten Mitmenschen unserer schnelllebigen Zeit:

Wochenlange Vorbereitungen. Helfermangel. zahllose Aufgaben. Zahlreiche Helfer. Sonne. Start. Flotte Einführungsrunde. Die Spitze blau-weiß. Matze und Wody gehen mit zwei Begleitern. Tempoverschärfung im Hauptfeld. Wind. Wody und der vierte Mann werden geholt.  Verpatzter Zielsprint aus dem Hauptfeld. Platz 1 für Matze, Platz 4,5 und 6 für weitere Picardellics. Köstlicher Kuchen. Siegerehrung. Begeisterung der Gäste über die Organisation.

So und nun für all diejenigen, die den Blasendruck etwas länger und bewusst steuern können, die satt, zufrieden und munter über die notwendigen Energiereserven zur entspannten Lektüre verfügen und die sich jetzt gediegen zurücklehnen, um die Ereignisse des 10. Septembers 2006 in und um Ponickau nochmal genießerisch Revue passieren zu lassen, denn etwas umfangreicheren Bericht.

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Der Sonntag begann für viele Picardellics sehr, sehr zeitig, mussten doch neben der Streckenmarkierung, der Absperrungen, dem Zielbogen auch noch die Straßen gekehrt, die Anfahrhinweise angebracht und die Anmeldung aufgebaut werden. Nachdem in der Vorbereitung des Rennens in der einen oder anderen Mail unseres gewichtigen Vereinschefs durchaus ein leichter Hauch von Hysterie anklang, hatten sich glücklicherweise doch noch genügend freiwillige Helfer gefunden, die die oben genannten Aufgaben und vieles mehr sehr zur Zufriedenheit unserer rührigen Vereinsführung aber auch der Rad fahrenden Teilnehmer erfüllen konnten.
Weithin leuchtete der gelbe Erdgaszielbogen und leitete die aus Richtung Ortrand anreisenden Teilnehmer direkt ins Ziel. Unterstützt wurde die direkte Zielführung zudem von den durch Frank an den Kreuzungen angebrachten Hinweistafeln, so das den aus allen Richtungen anströmenden Menschenmassen alle Wege geebnet bzw. beschildert waren.
Dank Michis freundschaftlichem Transportservice für Rennrad und Klamotten konnte ich beschaulich mit dem Arbeitsrad und vollgepackten Packtaschen direkt vom Dienstausflug kommend, Franks Ausschilderungskünste bewundern an die Anmeldung durchradeln. Gleichzeitig gingen einige Picardellics auf Ihre Warmfahrrunde und spürten dabei teilweise zum ersten Mal die Heftigkeit der Anstiege zwischen Großenhainer Pflege und Laussnitzer Heide. Die Anmeldung war gut, schön und freundlich besetzt, auch ohne Kaution, Pfänder oder dergleichen wurde den Startern die Startnummer nach beharrlichem Drängen übergeben.

Zum Warmfahren auf der Strecke blieb nach dem umziehen und einem netten Schwatz mit Dirk bzw. dessen beiden hübschen Frauen keine Zeit mehr. Die 54 Starter sammelten sich vor der Schule und warteten auf die Startfreigabe. Nachdem das Führungsfahrzeug bereitstand, mit der Vereinsführung bestückt und der Gottesdienst mit lautstarkem Läuten beendet war, erfolgte der Start in die neutralisierte Einführungsrunde. Das Tempo war sofort recht sportlich und das Feld zog sich in die Länge. Mischka und Eric demonstrierten den Leistungsanspruch der Picardellics und ließen sich aus dem Cabrio in der Führung photographieren.
Die zweite Runde begann und das Tempo des Fahrerfeldes ging noch etwas in die Höhe, der Puls stieg mit, es fühlte sich wie ein Radrennen an.

Wir wollten ab der 4 Runde etwas mehr Druck machen und hofften, das einige von uns in der Spitzengruppe vertreten sein würden. An der kleinen Steigung zum Kiessee, wollte ich lediglich das Tempo konstant halten und fand mich plötzlich allein vor dem Feld wieder. Da ich zu dem Zeitpunkt eh noch nicht warm war und keinen Bock hatte mich umzudrehen oder mädchenhaft entschuldigend die Schultern zu zucken, drückte ich halt weiter und für die Runde vor dem Feld her. Der Schmerz wurde schon bald gleichmässig und wich dann einer illusionslosen Apathie. Jan hatte ähnliches beim Dresdner Race Day erbarmungslos durchgezogen. Cleverer als ich hatte er sein liebstes Stück ins Führungsfahrzeug gegeben und danach beschlossen, die teure Kamera keinen Moment aus den Augen zu lassen. Er ging damals am Anstieg der Bobbahn ohne zu zögern, ohne zu warten und hielt sich dicht am Führungsfahrzeug . 40 km lang. Konsequent. Schmerzhaft. Durchgezogen. Für einen Fotoapparat. Leider hatte ich weder diesen im Führungsfahrzeug noch konnte ich in der kürze der Zeit eine intensive Gefühlsbeziehung zu einem der gesetzten Herren bzw. der jugendlichen Amazone aufbauen. So blieb ich allein mit meiner abnehmenden Begeisterung hinter dem Führungsfahrzeug, vor dem Feld. Bei der Ortsdurchfahrt durch Ponikau stellte sich die gepflasterte Linkskurve auch für einen Alleinfahrer als, na sagen wir mal, nicht ganz einfach heraus. Die großen Fugen zwischen den Pflastersteinen hielten jedes Laufrad sicher fest, um es wenig später in beliebiger Richtung wieder freizugeben. Glücklich und heil herum gekommen, spürte ich nun den deutlichen Gegenwind auf meiner einsamen Brust. An schneller Blick über die Schulter offenbarte, das ein weiterer Fahrer versuchte aufzuschließen. Um nicht irgendwo an der Steigung vom Feld überrollt zu werden, versuchte ich noch ein klein wenig zu beißen. Kurz vor der Kuppe erschreckt mich das Surren von verdammt schnellen Reifen. Sollte das wirklich der Verfolger sein? Zum Glück war es nur Matze, der mit Wody im Schlepptau einen Angriff lancierte und versuchte wegzukommen. Jonny folgte kurz dahinter und zwang mich verbal in seinen Windschatten. Dank Jonnys Hilfe konnte ich mich dann sogar wieder an die 5 führenden Fahrer heranhacken, um dort jedoch lediglich mitzukullern. Die Beine bestanden scheinbar nur noch aus labrigem Bindegewebe, damit in die Führung zu fahren war aussichtslos. So blieb mir nur eine entschuldigende Handbewegung bzw. ein Winken mit dem gesamten Körper und die letzte Position in der kleinen Gruppe. Ein schneller Blick zurück zeigte, das der Rest des Feldes aufgereiht wie auf einer Perlenschnur folgte. Da meine Beine immer noch keine andere Rückmeldung gaben, versuchte ich aus der Not eine Tugend zu machen und lies mich etwas zurückfallen. Der Starter 136 fuhr das Loch kraftvoll wieder zu. Ich folgte ihm schnaufend, hängte mich wieder hinter Wody und lies nochmal locker und wieder versuchte er zu folgen, es blieb jedoch diesmal bei dem Versuch, der von dem sich nun bildenden Hauptfeld aufgesogen wurde.

Die Spitzengruppe mit 4 Mann war weg.

Ich war breit, schön breit.
Im Hauptfeld lies es sich angenehm pedalieren, parlieren und philosophieren. Sandra war auch noch dabei, konnte noch lachen und schwatzen und dies trotz des zwischenzeitlich hohen Tempos und trotzdem sie mit einem Cannondale fahren muß.

So verging die Zeit wie im Fluge, die Landschaft schoß vorbei, die Pflasterkurve war immer noch feindlich und die Mitfahrer hatten sich mit der Picardellicsübermacht angefreundet. Plötzlich und übermächtig setzte Langeweile ein. Michi fing schon wieder an seine Ölfarben auszupacken, Eric blätterte in seinen Lexika und Mischka, ja Mischka träumte, träumte von wilden Feiern, zärtlichen Frauen und absolvierten Studienabschlüssen Jeder ging also seiner Beschäftigung nach, radelte nebenher ein wenig und es sah ganz so aus, als würde die Tour wieder wie in Grimma enden.

Doch nein, wie schon in Grimma am Start reichen manchmal Blicke, Blicke zwischen Männern (vgl. auch Rennbericht „Rund ums Muldental“ o.ä.) um bestehende, scheinbar unveränderliche Systeme ins Wanken zu bringen. Jan, Eric und ich fanden uns nach der pflasterfreien Waldlinkskurve einvernehmlich an der Spitze, stiegen einvernehmlich aus dem Sattel und zogen einen Kreisel an. Sollte das Tempo doch wieder einmal spürbar werden, besonders in den hinteren Reihen, die schon kurz vorm einschlafen waren. Und so geschah es, das wir zunehmend zügiger wurden. Die anderen Picardellics fanden sich ebenfalls zum Wechsel an der Spitze ein und der Kreisel lief – kurz, den Mischka, aufgeschreckt aus seinen Träumen, schreckte vor dem Gegenwind zurück, nutzte sein demokratisch zugesichertes Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und begann eine Diskussion über Gründe, Ursachen und Wirkung der Tempoverschärfung. Die Diskussion blieb einseitig und wurde lediglich mit einem freundschaftlichen und scharf vorgetragenen „komm, komm, komm .... hep .. hep ... hep“ kommentiert. Die Luft reichte mir an der Stelle leider nicht, Mischkabärchen, Dir weitere Auskünfte zu geben.
In Ponickau beruhigte sich das Feld, der Puls und die Atmung wieder und wir bogen wiederum auf die Gegenwindstrecke zur Steigung ein.

Der ansatzweise Kreisel hatte Spaß gemacht, hatte die Hoffnung auf mehr geweckt und veranlasste mich den anderen Picardellics den Vorschlag zu unterbreiten, das wir in der vorletzten Runde nach der Steigung nochmals kreiseln würden. Der Vorschlag wurde mehr oder weniger lustvoll aufgegriffen und eine Runde später  umgesetzt. Laut Bratwurst unserem zuverlässigem und schnellen Zeitansager hatte die Spitze inzwischen einen Abstand von 2.10 min. Dies erschein also sicher und der Sieg ungefährdert vomn unseren Spielen am Ende des Feldes.
Nachdem erstmal niemand den Anfang der Attacke wagen wollte, hatten wir dann auf der Abfahrt am Kiessee schon mal eine lautstark gebildete vernünftige blau-weiße Picardellicsreihe in der Führung und begannen zu kreiseln. Inzwischen waren schon 60 km gefahren und erste muskuläre Ausfallerscheinungen traten in erschreckender Auswirkung zutage, der eine oder andere musste regelrecht in die Führung gebrüllt werden. Irgendwann waren alle Kräfte restlos verbraucht und das Feld keuchte wieder vereinigt und glücklich auf Ponickau zu. In Ponickau wollte es die 136 nochmal wissen, er übernahm die Spitze zog an und, und bog nach rechts auf die Zielgerade ein. Offensichtlich hatte die gerade überstandene Sauerstoffschuld im Zentralhirn eine noch ausstehende Runde ausgeblendet. Leider war dies der einzige Verlust den wir durch unsere Tempoverschärfung verzeichnen konnten.

Nichstdestotrotz bogen wir zum letzten Male ab und visierten die Steigung an. Frank nam es mit viel Humor und mir nacheifernd mit Gebrüll. Michi und ich kreuzten die blickleeren Augen und versuchten gemeinsam das Stück gegen den Wind bis zum Wald zu überstehen. Dort angekommen, schoß neues, frisches Adrenalin durch die Adern, Michi lösste mich in der Mitte des Berges ab und hielt das Tempo hoch, sehr hoch. Oben angekommen sahen wir kurzzeitig das Führungsfahrzeug und holten danach Wody wieder zurück ins Feld. Er schimpfte leicht vor sich hin also ging es ihm gut und alles war in Ordnung. Leider fragten wir nicht mehr nach, wie es vorn noch aussah, was sich bald als Fehler erweisen sollte. Auf der Abfahrt fand ich mich neben Jan in der Spitze wieder. Diesmal waren es nicht nur Blicke sondern ausformulierte Sätze, mit denen er mich auf den Weg schickte. „Du kannst das Blatt benutzen“ waren seine Abschiedsworte, die ich mitnahm auf meinen letzten Ausreißversuch. In der Kurve bei Anbau Lüttichau nutzte ich meine Führungsposition, lies den Gang stehen und wollte somit unseren Sprintern die Möglichkeit verschaffen, die Aufholjagd. zu nutzen, um den Sprintzug in Schwung zu setzen. Die Kurve war angenehm zu fahren, die Kette glitt geschmeidig über das 12er Ritzel und der Asphalt glitt flink unter mir hinweg.
Tief über den Lenker gebeugt versuchte ich mein Glück. In Lüttichau war ich immer noch allein und quälte mich über die Buckelpiste. Aus dem Wald kommend, Ponickau schon in Sicht musste ich mich immer noch überzeugen allein weiterzufahren, das Feld trottete hinterher. Notgedrungen senkte ich den Kopf noch tiefer, die Knie schlugen rhythmisch gegen das Kinn, der einsetzende Schmerz lenkte von den laktatgeschwollenen Beinen ab. Trotzdem zog es sich noch weit, weit hin. Der Wind fauchte, der Puls trommelte in meinen zierlichen Ohren, die Augen tränten, endlich das Ortschild Ponickau. Olafs freundliche Rufe.  Noch tiefer den Kopf geneigt, die Beine wirbeln noch heftiger. Jetzt bin ich im Ort, an der Rundenanzeige, schlagartig wird mir bewusst, das ich mir die Zielanfahrt nicht angesehen hatte. Prompt komme ich nicht wirklich um die Kurve. Wieder mit Schwung versehen höre ich hinter mir Jonny brüllen, soviel wie bei dem Rennen wurde noch nie geschrieen. Jonny feuerte mich an und versicherte mir, das er mich nicht überholen wolle. Schade, der 3.Platz für uns wäre wichtiger gewesen. Ich hatte völlig verpeilt, das nur noch zwei Fahrer vor uns waren, gab in der Situation (in der Meinung es ginge lediglich um Platz vier – den ersten richtigen Verliererplatz) nicht alles gegeben und wurde von Fuhrmann übersprintet. Scham und Schande über diese deprimierende Leistung Platz vier bei guter Überzahl der Picardellics, ausgeruhten starken Männern, ohne Furcht und Tadel.  Mann Mann, Mann, was will ich mal den Enkeln und den Zivis erzählen?? Was bleibt den dann noch außer der langatmigen Schilderung des Gegenwindes?

Na, es bleibt zum Beispiel der hervorragende Kokoskuchen, der vollstes Lob und Zufriedenheit verdient, die entspannte Atmosphäre des Rennens und das gemeinsame Erlebnis mit tapferen Männern, unter dem Jubel schöner Frauen, gut gesichert von zahllosen Freiwilligen auf einer geilen Strecke bei schönstem Sonnenschein pedalieren zu dürfen,

glaubt

Thomas

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