Nach der lockeren Anfahrt nach Gröditz, trafen wir Michi, der als unser Sprinttrumpf mitfahren sollte und seine Anja. Wenig später tauchte noch Frank auf, der sich seit letztem Winter regelmäßig bei den Vereinsausfahrten sehen lässt und nun auch im blau-weißen Trikot der Picardellics fährt.
Das kann ja nun nicht wirklich war sein. Man steht schließlich nicht auf und am Start, um dann wie auf einer Grundlagenluschentrainingsrunde zu radeln. Sicher hätte man jetzt in einem gemeinsamen Workshop mit den Mitfahrern über Ziele, Herangehensweisen und Strategien kommunizieren können, damit alte, überholte Strukturen aufbrechen und neue Ideen, verblüffende Phantasien und neue Sichten entwickeln können, doch wir Picardellics wollten nur fahren, keuchen, uns quälen und deshalb drückten wir uns in die Führung und entsprechend über das erste Pflasterstück. Die Kurven liesen sich alle gut fahren, die Straße war in Ordnung, das bereits genannte Pflaster lockerte die dicken Oberschenkel auf. Damit war das Fahrerfeld schön schnell und lang, schön lang gezogen. Jan übernahm nach mir die Führung und hielt das Tempo bis zum ersten Wertungssprint in der 3. Runde hoch.
Michi holte die ersten Punkte.
An mir war es nun das Tempo weiterhin auf einem vorzeigbaren, deutlich laktaterzeugenden Niveau zu halten. Dazu musste ich mich erstmal mit schmerzenden Oberschenkeln an die Spitze kämpfen. Den Sprintern ging es offensichtlich noch schlechter, denn schon vor der ersten Kurve war ich wieder ran und vorn und konnte dann, mit nunmehr reichlich Adrenalin im Blut und Tränen in den Augen das Tempo über das Pflasterstück hochtreiben und auf der Gegengeraden stabilisieren. Im Wechsel mit Jan und Frank gelang es uns den zweiten Sprint für Michi vorzubereiten und mit seinem Punktgewinn abzuschließen.
Leider hatte Jans graziler (ja, im Sommer verdient dieser adonenhafte Körper mit einem nahezu einstelligen BMI durchaus diese Bezeichnung und vom winterlichen Jankörper soll an dieser Stelle aus Gründen der Freundschaft und der gemeinsamen Vereinszugehörigkeit kein Wort, keine dreistellige Zahlenangabe fallen) und sensibler Körper das reichhaltige Frühstück noch nicht bewältigt und verdaute die reichhaltigen Speisen mit überaus hohem Puls, so das Jan im ersten Renndrittel ausstieg.
Vielleicht verleitete im jedoch auch die konflikt- und schmerzvermeidende Kommunikation einiger Mitfahrer den Spaß am Rennen: Euch ist sicher gerade aus dem ersten Drittel eines Rennens der Ruf “links” bzw “rechts” gut bekannt, mit dem die dann noch mitfahrenden aber bereits die Grenzen Ihrer Fähigkeiten spürenden Labertaschen versuchen das Feld zusammenzuhalten. Offensichtlich reicht die Kraft dieser Brüllaffen nicht mehr dazu aus, den Ausreißversuch mitzugehen, sondern man (hier ist ein zweites “n” in jedem Falle fehl am Platz, Männer, richtige Männer haben für derartige Rufe nicht nur aufgrund der schmerzhaft zusammen gepressten Kiefern, keine Zeit und Lust, da geht es nur noch um die nächsten Sekunden, die entscheidenden Sekunden, um am Vordermann dranzubleiben, da ist keine Zeit zum tackern, keine Zeit der Hoffnung auf andere, in dem Moment zählt nur der eigene Wille, die eigene Kraft und eben die Fähigkeit das Maul zu halten, um vielleicht sogar mit der Gruppe gehen zu können) ruft halt panisch und hofft auf alle anderen Mitfahrer. Aber was soll es, es war wie so oft, am Anfang wurde halt weniger gefahren und viel geredet. Kein Wunder also, das Jan sich lieber zwischen die begeisterten, schönen und faszinierten Zuschauerinnen (Kerstin war auch mit nach Gröditz gefahren) stellte.
Es wurde bald ruhiger im Feld, Frank führte leider auch nicht mehr, schwieg aber wenigstens, was uns schon mal einen nicht unwesentlichen Vorteil in der gemeinsamen Mannschaftstaktik brachte. Michi zog allerdings unter den liebevoll begehrlichen Blicken seiner Anja kontinuierlich am Lenker und sicherte sich weiterhin die notwendigen Punkte.
Mir wurde inzwischen der Mund trocken, die Führungen wurden immer zäher, die Gegengerade immer länger. Glücklicherweise ließen sich die noch zu absolvierenden Runden an einer Hand abzählen und damit die restlichen Energiereserven gut mit der verbleibenden Strecke korrelieren. Plötzlich … was ist das denn … na sag mal, träum ich, halluzioniere ich jetzt schon unterhalb des Maximalpulses???
Michi fuhr in einer der letzten Runden zu meinem wachsenden Entsetzen selbst die Löcher zu!!! Man man man, wenn man mal einen Moment nicht aufpasst … tssss tsss tsss, diese jungen Leute können einfach nicht warten, kein Vertrauen, kein gesundes Risikoabschätzen…. Erst nach einer lautstarken verbalen Ansage lies er mich wieder meine Arbeit machen.
In der letzten Runde erwachten einige Mitfahrer schlagartig aus ihrer Führungslethargie und an der Spitze wurde es eng. Michi behielt gelassen den Überblick und holte sich die für den Sieg notwendigen Punkte. Völlig erschöpft sprintete ich gegen …. ja da war ja wieder Frank, dem ich mich beim Sprint um Platz 5 geschlagen geben musste. Auch gut, irgendwo müssen wir ja unsere Körner verstreuen und sei es beim partnerschaftlichen Sprint gegeneinander auf der Zielgeraden.
Mit dem Pokal und reichhaltigen Siegergeschenken folgten wir Sandras Einladung (Sandra wollte dieses Jahr ihren Vorjahrestriumph nicht wiederholen) zu reichlich Kaffee, Tee und Kuchen in die Gärtnerei Ihrer Eltern. Die schattige Veranda, der köstliche Kuchen und der glitzernde Pokal machten es uns leicht, das Rennen mit unseren taktischen Meisterleistungen, unsren Patzern und Jans Pulsschwäche auszuwerten, tiefschürfend und umfassend zu analysieren und hier nun in diesem Bericht der Nachwelt aufbereitet zu hinterlassen, hofft
Thomas