Im Osten geht die Sonne auf

Irgendwo im Osten. Während der Wind einsam über die verlassen daliegenden Betonplatten der Siedlung fegt, steht eine alte Frau am Straßenrand und lässt ihren Blick über die einstigen Prachtboulevards eines längst verlorenen Staates schweifen. Der eintönig dahinströmende Regen tränkt ihren vollen, grauen Haarschopf und lässt einzelne Strähnen, die keinen Platz unter ihrem Kopftuch mehr fanden, in ihr furchiges, vom Leben gezeichnetes Gesicht gleiten. Es ist ein friedliches Lächeln, das ihre Augen zeigen, denn sie weiß, es ist unausweichlich. Niemand kann ihn aufhalten, er wird kommen. Schon seit einiger Zeit hat sie dieses
Gefühl, diese Ahnung, und nun weiß sie, es wird Zeit zu gehen.
Und zwar einen Schritt zurück! Denn in genau diesem Moment schießt ein grauer Sharan um die Ecke; das Geräusch quietschender Reifen durchbricht die sonntägliche Stille der Ernst-Thälmann-Siedlung in Frankfurt/Oder. Und genau dort, wo die passionierte Freizeitanglerin Ursula B. gerade noch stand, zischen die niegelnagelneuen Regenreifen des Jan T. über den Bordstein.

Die johlende Meute an Bord entspricht genau jenem Typ von großstädter, der beim kleinsten Anzeichen schlechten Wetters beginnt, sich zu verkriechen, um am liebsten gar nicht mehr vor die Tür zu gehen. Alle viel zu verwöhnt für Regen. Nicht wie Ursula.
Doch da der Wetterbericht für einen kleinen Zipfel Brandenburgs schönes wetter angesagt
hatte, und genau in diesem kleinen Zipfel just zu dem Zeitpunkt auch noch ein Radrennen
stattfinden sollte, war doch klar: Dort sind die Sonnenanbeter der Picardellics dabei.

Thomas D. hörte Christian R. damals nicht bis zu Ende zu, sondern schloss seine Ohren
schon bei dem Wort Sonnenschein, nickte zufrieden und stieg ein. Dass Christian allerdings ebenso von Wackersteinen, mörderischen Windkanten, rasierten Berliner Waden und halb  egetarischen Schaschlikspießen zur Versorgung nach dem Rennen geredet hatte, bekam er nicht mit.
Da Dmytro K. von Haus aus Ukrainer ist und Ludwig R. eh schlecht hört, saßen auch die
beiden trotz Christians warnender Worte zufrieden im Auto.
Es ging also in Podelzig, an der Grenze zu Osteuropa, dort, wo vodafone.pl schon seine
Netze ausstreckt, die Sonne auf.


Es wird gestartet auf einer schmalen Straße, etwas eng für 130 Leute, aber man kann ja
auch hintereinander fahren. Der Rückenwind jagt das Feld bis zur ersten Linkskurve.
Danach Abfahrt, schön geschützt durch den Wald, herrlich. So, und ab da wirds windkantig. Dima, erschrocken über so viel Wind bei so viel Sonnenschein, erkennt, dass der Wind umso schneller vorbei ist, je eher man auf der Gegengeraden anlangt und gibt in vorderster Front das Tempo. Alle folgen. Außer Ludwig. Dem fällt mitten im Loch zwischen zwei Gruppen ein, dass er ja den Bericht schreiben soll. Und wo bekommt man am meisten von einem Rennen mit? An Start/ Ziel, mit dem Ohr am Wagen der Wettkampfrichter.

Dort steht er dann auch das ganze Rennen und verfolgt Christian, der damit beschäftigt ist, neben seinem Laktat auch seine Gruppe auf Trab zu halten, wohlgemerkt die vorderste. Bis seiner Kette dann am Berg die Kraft ausgeht und sie aufs kleinste Ritzel schalten will; allerding fährt Christian Zweifach, Und die Kette damit ins Leere. Schade.
Er hört wohl von hinten Thomas nicht rufen, der seinen Irrtum erkannt hat, dem Christian
nicht richtig zu gehört zu haben und ihn erreichen will, um nachzufragen, ob neben dem
glitschigen Kopfsteinpflaster und der Windkante noch andere Überraschungen lauern. Doch als die beiden sich winken können, ist das Rennen vorbei.

Jan zu guter Letzt kann endlich mal richtig Gas geben, denn nach der ersten Runde
aufmerksamen Fahrens wird ihm klar, dass an der Rennstrecke kein Blitzer steht. Er genießt diese auf brandenburgischen Straßen seltene Freude und wünscht, das Rennen würde nie zu Ende gehen. Ging es dann doch.
Der beste Picardellic landet so ungefähr auf Rang 20..25 in einem doch recht hochkarätig
besetzten Rennen, welches von BikeKult und Velux aus Berlin dominiert wird, und aufgrund des noch nassen Kopfsteinpflasters am Berg sowie des starken Windes kein richtiges Hauptfeld sieht, sondern viele einzelne Gruppen.

Ursula hingegen war in der Zwischenzeit Angeln. Bei Regen. In Frankfurt/Oder. Ihre
Anglerfreunde waren ebenfalls Angeln. An der Elbe. In Dresden. Bei Regen.

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