
Gestern war es wieder einmal soweit, er, der Meister rief und es bildete sich eine lange Doppelreihe.
Einer der Überlebenden lüftet den dichten Schleier seines
Schweigegelübtes und berichtet im folgenden detailiert, akribisch und
ohne ellenlange Namenslisten, ohne dröge Zahlenkolonnenüber über die
wahren Geschehnisse zwischen 17.00 Uhr MESZ und Mitternacht. Ein
autentischer Bericht über das härteste Rennen der Welt - die
Dienstagstrainingsrunde mit dem langjährigen Sachsenmeister.
Punkte, Platzierungen und Bestzeiten spielen bei den
Dienstagsrunden eine untergeordnete Rolle. Dienstags geht es ums blanke
Überleben, natürlich im Grundlagenbereich.
Blut, Schweiß und Tränen schweißt die kleine Schar gestandener
Familienväter um den Meister zusammen und lässt sie eine geschlossene
Doppelreihe bilden. Ein Fehler, ein mitunter tödlicher Fehler wenn
diese vom Meister geschätzte Doppelreihe zerreißt. Hier duldet der
keine Schwächen und so mancher Mitfahrer mußte infolgedessen Tage,
Wochen und Monate einsam und allein unter der heißen Sonne des Südens
trainieren, um wiedererstarkt in Kenntnis von Startort und Startzeit zu
gelangen.
Gestern hatten wir Glück, der Gesprächsstoff ging dem Meister nicht aus und so konnten wir ihm folgen. Er mußte zwar auf manche Antwort verzichten, blieb jedoch trotzdem gut gelaunt und vor allem gesprächig. Gefährlich sind allein die Momente in denen der Meister in tiefes Schweigen fällt, dann steigt der Puls seiner Mitfahrer in medizinisch unzureichend erforschte Bereiche. Manchmal gelingt es die Betreffenden wiederzubeleben. Manchmal. Gestern hatten wir wie gesagt Glück und konnten mit brennender Lunge und krampfenden Oberschenkeln zu unseren Familien zurückkehren.
Nicht immer geht es für die Beteiligten so gelinde
aus.Verschiedentlich haben es Photographen, Landschaftsmaler und sogar
Kunststudenten versucht in den geschlossenen Kreis der edlen Recken
einzudringen. Kaum einer konnte sich dauerhaft halten. Den Wenigsten
ist es gelungen das dichte Geflecht aus Traditionen, Regeln und
Gesetzen zu durchdringen, geschweige denn zu beherrschen.
Trotzdem versuchen es immer wieder aufs Neue junge Burschen, die nichts
zu verlieren haben. Sie kommen mit preiswerten Rahmen
nordamerikanischer Herkunft und Komponenten fernöstlicher
Angelgerätehersteller und sie fallen dem Meister ins Wort. Das
einsetzende Schweigen verstehen sie als Akzeptanz und sie implodieren
meist schon wenige Sekunden später, lange bevor der Meister in den
Wiegetritt wechselt.
wieder regelmässiger dabei
Rudi
PS: Aus verständlichen Gründen existieren weder Photos noch Aquarelle oder Kreideskizzen. Dienstags zählt nur die Kraft des gesprochenen Wortes ... oder schlimmer: eisiges Schweigen ....